Nachschau Saarbrücken, 28.08.2020
Keineswegs allein die Großbahnen oder die Meetings-Plätze sind 2020 in ihrer Terminierung ziemlich aus dem zeitlichen Takt geraten. Kaum anders erging es zahlreichen kleineren Rennbahnen, die ebenso unter der allgemeinen Planungsunsicherheit aufgrund der Corona-Pandemie zu leiden hatten. Endlich konnte ein um Monate verspäteter Saisonaufgalopp auf dem grünen Güdinger Geläuf über die Bühne gehen. Zwar ohne das sonst hier übliche Traberprogramm, aber immerhin mit sechs interessanten Vollblut-Leistungsprüfungen.
Die erste dieses halben Dutzend firmierte als „50 Jahre Rennclub Saarbrücken – Der Südwesten hält zusammen Cup“. Der 1.900-Meter-Test ging allerdings in den Westen, da der Rechnungs- und Bahnfavorit Wild Gipsy Boy unter Jockey Alex Pietsch seiner Einschätzung vollauf gerecht wurde. Zunächst länger hinten auszumachen, brachte der stabile Fuchs sich in der Entscheidungsphase dann umso nachdrücklicher zur Geltung, sodass die stets prominenten Treasure Quest und Adeliz alle eventuellen Siegchancen begraben konnten und mit den weiteren Plätzen vorliebnehmen mussten. Andrea Friebel, Wild Gipsy Boys Besitzerin wie auch Trainerin, war mit dem Intikhab-Sohn aus Solingen angereist und hatte ihrem Schützling augenscheinlich eine wie für ihn maßgeschneiderte Aufgabe ausgesucht.
Außenseiterin Glos überrascht
Der Südwesten war dann aber an der Reihe mit der Außenseiterin Glos, die im Preis der BeTa Versicherung und Vermittlung GmbH einen nach Vorformen kaum für möglich gehaltenen Treffer schaffte und zugleich für einen kleinen familiären Triumph sorgte. Denn die siebenjährige Air-Chief-Marshall-Tochter wird trainiert von Fabienne Gratz und steht im Besitz von Stephan Johannes Gratz. Die Honzrath vorbereitete Überraschungssiegerin wurde von der erst seit Kurzem in Rennsattel aktiven Sarah Scholl recht kaltschnäuzig über den Weg gebracht und wusste im Einlauf keinem Geringeren als dem Favoriten Irukandji endgültig den Schneid abzukaufen. Letzterer, nebenbei schon recht zeitig in der Offensive zu sehen, musste am Ende sogar den gut endenden König Arte noch für Rang zwei passieren lassen, während Rezia sich hinter ihm das vierte Geld sicherte. Überraschend früh hatte sich allerdings der ebenfalls beizeiten vorne auftauchende Mit-Favorit Contendit aus der Partie verabschiedet.
Zweimal Stall SchLau, Casamento und Schleppi
Die in der Hand von Marco Casamento im Preis der TVG Transportvermittlung stets das Geschehen beherrschende Footlose konnte sich danach auf dem Fuße für ein Missgeschick entschädigen, das ihrer Reiterin zuletzt in Mannheim unterlaufen war, als sie von einem Fehlstart ausgegangen war, doch sich diese Annahme am Ende als Irrtum erwiesen hatte. Alle etwaigen Chancen waren damit bereits am Ablauf komplett dahin. Jetzt erschien die Mamool-Tochter gleich vorne, wo sie alsbald Gesellschaft von Earl fand, der im ersten Ausgleich III der Karte bis zum Schluss der einzige ernstzunehmende Gegner für die von Trainer Sven Schleppi für den Stall SchLau gesattelten Gewinnerin blieb, da Polarstern nie über Rang drei hinauskam und Incorruptible lediglich in der Lage war, bis auf den vierten Platz vorzustoßen.
Gleich anschließend wurde das Team von Footlose noch ein weiteres Mal zur Siegerehrung gebeten, wobei Jockey Marco Casamento nach der Turf Sand M4 Challenge insbesondere den kämpferischen Einsatz der schneeweißen Sister Vic lobte. Mit diesen Fighterqualitäten rang die Pflegebefohlene von Sven Schleppi den schon halbwegs zu Hause gewähnten Diokletian noch auf dem letzten Stück des 3.000-Meter-Marathons mit einer halben Länge nieder. Der zweite Tagessieg für den Stall SchLau kam am Ende sogar noch vergleichsweise sicher unter Dach und Fach, denn das letzte Quäntchen mehr Stehvermögen besaß ganz klar die Tin-Horse-Tochter Sister Vic. Für den über weite Strecken den Weg zeigenden Giant Grizzly blieb als Belohnung für die geleisteten Führdienste immerhin noch Platz drei; hinter ihm gingen dann Fascianata und Bergadler auf den folgenden Plätzen über Linie.
Casamento zum Dritten
Trainer Marco Klein, der in den Preis der Systemrelevanten Saarländischen Bauwirtschaft die Schimmelstute Smentana geschickt hatte, hätte sich gerne ein Führpferd gewünscht. Aber es tat dem Mann aus Mannheim keiner der Mitkonkurrenten den Gefallen, nach vorne zu ziehen. Hana Mouchova, Smentanas Reiterin, machte allerdings aus der Not eine Tugend und setzte Smentana in der Tat groß in Szene, selbst wenn es zum Schluss lediglich für Platz drei reichen sollte. Denn erst in der Schlussphase musste sie das Feld etwas räumen, als sich der anfängliche Zweikampf mit der Favoritin Arromanches auf einmal zu einem Dreikampf entwickelte, da zuletzt auch der von hinten nachsetzende Pissarro vehement ins Geschehen eingriff. Auf ihm ließ sich Marco Casamento dann die Chance nicht mehr nehmen, den dritten Sieg sicherzustellen und den Hattrick perfekt zu machen. Horst Rudolph, sowohl Trainer als auch Besitzer von Pissarro, resümierte danach mit eher nach innen ausstrahlender Freude relativ trocken, dass sein mit neun Jahren schon etwas betagter Schützling so etwas immer noch könne, wenn er Lust und Laune hätte. Beides hatte er heute offenbar, und es sprang der 10. Sieg beim 90. Start seiner Laufbahn heraus.
Schlusspunkt und vierter Casamento-Erfolg
Der Erfolgshunger von Marco Casamento war erst gestillt, als die Saarbrücker Saisonpremiere im Preis der Fertigbau Laus endgültig ihr Ende fand. Der Italiener setzte seine Siegesserie zielstrebig weiter fort, und zwar mit dem schnellen Dawn Prayer, der ein Gewicht von sage und schreibe 65 Kilo Start-Ziel nach Hause brachte. Erneut war auch wieder die Familie Schleppi beteiligt; diesmal fungierte allerdings Sven Schleppi als siegreicher Besitzer und Vater Christof Schleppi als Erfolgs-Trainer. Der im Übrigen anmerkte, dass Dawn Prayer gerade von der kurvenreichen Güdinger Kursführung immer wieder profitiere. Diesmal zum Leidwesen der über sich hinauswachsenden Außenseiterin La Vie Est Belle, die einen starken Auftritt hinlegte, immerhin jedoch den Ehrenplatz noch gegen Princess Peaches und Furous sicher zu verteidigen verstand.
(Foto: © Marc Rühl)