Nachschau Berlin-Mariendorf, 05.08.2023
(MW) Sehr aufmerksam gelesen hatten offenbar nur zwei der 2019 geborenen Stuten, was die Setzkommission für die vier Vorläufe zum Stuten-Derby von ihnen erwartet hatte: Nur Look of Love, die ihren Status als haushohe Favoritin aufs Blaue Band der Stuten kräftig untermauerte, und Bella Bavaria kamen als souveräne Siegerinnen weiter. Eine rundum enttäuschende Jacky Hazelaar fiel völlig durchs Sieb, und Sinfonie schaffte die Quali-Pflicht vor der Endlauf-Kür nur mit äußerstem Knautschen.
Zweite im Stutenlauf des Adbell-Toddington-, Dritte in jenem des Buddenbrock-Rennens - ohne ihre Bezwingerinnen regelte in Vorlauf 1 die gesetzte Bella Bavaria ihren überhaupt erst zweiten Sieg einfach, kurz und schmerzlos. Nach 700 Metern wurde Robin Bakker mit der 12:10-Favoritin von der am rasantesten beginnenden Yoko Ono Diamant auf die Kommandobrücke gebeten, und der Rest war Formsache für die von Paul Hagoort für ein bayrisches Besitzerkonsortium vorbereitete Gustav-Diamant-Tochter. „Miss Zuverlässig“ legte im Schlussbogen eine gehörige Schippe drauf und stellte den Rest, von dem sich Yoko Ono Diamant und ELUISE am besten hielten und ebenfalls im Finale dabei sein werden, vier Längen voraus vor vollendete Tatsachen: Auf 1:13,6 legte sie die erste Messlatte.
Für einen Paukenschlag sorgte in Elimination 2 Michael Nimczyk, der mit Sevilla As keine Chance hatte - und die entschlossen nutzte. Von der „1“ behauptete er mit der Father-Patrick-Tochter im breiten Führungskampf die Spitze, ließ für die Schlussrunde Mose Eagle vorbei und drehte den Spieß im Einlauf mit viel Eifer um. „Es passte alles wie aufgemalt - meine Taktik ist voll aufgegangen“, strahlte Deutschlands Dauer-Goldhelm nach dem 370:10-Coup, der ohne Zeitmessung zustande kam. Völlig konträr war die Stimmungslage bei Josef Franzl, dessen gesetzte Sinfonie, mit der „8“ gestraft, im Hintertreffen keine echte Szene hatte, sich mit Ach und Weh an Nice to see you vorbei würgte und wenigstens das Minimal-Ziel schaffte
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Ziemlich Kopf stand der Toto nach Vorlauf 3: Die hoch angesungene Pearl Kayz ließ alle Chancen bei einer Startgaloppade, die gesetzte Jacky Hazelaar ging in der Todesspur auf Tauchstation, und Bayerns zweite Hoffnung Nightstar Hill zog die dritte Schlussbogenspur gründlich den Zahn. Nicht zu viel versprochen hatte Jochen Holzschuh, mit der bei ihren drei Deutschland-Starts noch nie bezwungenen IT Security sofort aufs Ganze zu gehen. Bis auf eine Kurzrochade mit Mirone TS war die Dunkelbraune durchweg für die bei letztlich 1:14,7 eher dezente Schlagzahl zuständig und ließ lediglich zum Schluss die Zügel etwas schleifen, so dass My Girl noch gefährlich nahe kam. Glücksmarie Mirone TS erhielt die dritte Endlaufkarte, weil Pan Am Wood, sie zwar überholt, dabei aber das abgegrenzte Geläuf verlassen hatte.
Nicht das kleinste Fitzelchen zu deuteln gab’s im 4. Vorlauf am Sieg von Europabummlerin Look of Love, die fürwahr eine Stute zum Verlieben ist. Edel-Amateur Piet van Pollaert, der demnächst Belgien bei der EM der Amateure vertreten wird, ließ die von Jean-Pierre Dubois gezüchtete Schwester der hierzulande bestens bekannten Light the Fire, Laurel Park und Lady Grace mit angezogener Bremse beginnen. Das Kommando blieb Marvellous Steel vorbehalten, die nach 400 Metern die zum Geldwechsel-Kurs von 10:10 notierte Look of Love vorbeiließ. Fortan lief die in Berlin auch beim dritten Auftritt unbezwingbare Braune ihn ihrer eigenen Liga und setzte sich in der schnellsten Vorlauf-Zeit von 1:13,5 auf fünf Längen ab. Zur Freude der Berliner präsentierte sich Samba Pa Ti weiter im Aufwind und holte trotz des schwersten Verlaufs als äußere Anführerin den Ehrenplatz vor Marvellous Steel, für die der Pfosten genau richtig stand. Ein paar Meter weiter wäre Rushida vorbei gespurtet.
Bissige Viper
Das Totorätsel im 20.000-Euro-Finale der seit März in Mariendorf ausgetragenen Newcomer-Serie - nur drei der neun Teilnehmer notierten im dreistelligen Bereich - löste ein giftiger Viper in begeisterndem Stil. Wie der Blitz rauschte der fünfjährige Wallach nach vorn, „stand immer am Gebiss“, wie Christoph Schwarz, der Mann der Stunde südlich des Mains, im Nachgang erklärte, wurde nie angegriffen und legte auf der Zielgeraden trotz des unterwegs hohen Tempos einen Gang zu. Unterm Strich stand neun Längen voraus der neunte Sieg des Atlas-de-Joudes-Sohnes weit vor der Linie fest. Wie er auf dem Gestüt Lauvenburg der Familie Gentz zur Welt gekommen ist Bela Bartok, der aus der Deckung vom Rest am meisten Pep hatte und klar vor dem die Außenspur beackernden Readly Passion den Ehrenplatz einheimste.
Rothengatter-Einlauf bei den jungen Ladys
„Oranje gegen den Stall Nimczyk“ lautete das Motto über dem finanziell wertvollsten Gang des Nachmittags, dem Finale der neugeschaffenen Dreijährigen-Serie für die Stuten um 50.000 Euro. Es wurde zum Schmäckerchen für den Stall von Michel Rothengatter. Der Trainer selbst polte die Bird-Parker-Tochter Nortolanda aus Zucht und Besitz der Gerrits Recycling Group und der Schavemaker BV auf totale Offensive, scheute die Todesspur nicht, knackte Tempomacherin New Born Steel an der vorletzten Ecke und rannte ihrem Schatten Last Chance, die als 16:10-Gemeinte nicht den Hauch einer Chance hatte, spielerisch davon. „Noch größer war meine Freude, als ich bei der Zieldurchfahrt weit außen unsere Trainingsgefährtin Speedrise Lady S ganz sicher zum Ehrenplatz spurten sah“, gestand der einstige Lehrling des unvergessenen Peter Strooper. Mit dem dritten Sieg aus fünf Versuchen schoss das Konto der Braunen auf 40.750 Euro.
Als General mit eiserner Faust präsentierte sich in der Monté-Meile um 10.000 Euro der alte Haudegen General Lee, mit dem die aus dem Vollblutsport kommende Luca van Toor das langsame Mitteldrittel zum krachenden Überfall nutzte. Wie ein Pfeil schoss der zehnjährige Wallach, ein echter Freund von Rechtskursen, an Great Gatsby As und Tempomacher Joe Cocker vorbei und hielt den einmal erreichten Vorteil bis zur Linie bombensicher fest.
Schwer beschäftigt waren die Amateure, die maximal fünf Mal in den Sulky klettern konnten. Höhepunkt für den „Nachwuchs“, der durchaus etwas älter sein, aber nicht mehr als 24 Rennen gewonnen haben durfte, war das neugeschaffene Dambos-Erster-Rennen. Mit ihm wird an jenen 41fachen Sieger erinnert, mit dem Deutschlands Besitzerchampionesse Karin Walter-Mommert 1998 das renommierte Fritz-Brandt-Rennen an ihre Fahne geheftet hat. Vorlauf 1 für die etwas Ärmeren ging an Mister Well und Gert Jan de Vries, die für die Schlussrunde Marije Volo vom Regiepult schubsten und auf der Zielgeraden vor der „Riposte“ der Holländerin bis zum Zielstrich höllisch auf der Hut sein mussten. Den beiden einsamen Duellanten folgten New Horizons, Zuckerpuppe und Loke Bubble Girl ins Finale, das aus Elimination 2 Klaassen Boko mit der ihren dritten Sieg fixierenden Carlin Swann, die lange den Takt vorgebende Höwings be My Lady, Fantastico, Shanty und Ostwind Bo erreichten. Ein zweiter Treffer sollte Beiden im turbulenten Finale, das mit zwei Fehlstarts die Nerven von Pferden und Fahrern schwer auf die Probe stellte, nicht vergönnt sein. Die beste Übersicht bewies Tony Böker, der sich mit Höwings be My Lady von Ostwind Bo und New Horizons ziehen ließ, seinen 16. Sieg einfuhr und Jochen Holzschuh den dritten Trainerpunkt des Tages bescherte.
Wegen der abendlichen Jährlingsauktion zu ungewohnt früher Stunde ging bei bestem Rennbahnwetter - bewölkt und 18 Grad - auch der erste Ruf an die Hobbyfahrer. In Lauf 1 des Kombi-Pokals ging nichts über 13:10-Favoritin Kimberly Fortuna, mit der Mariska Middelweerd vom Fleck weg vor Karin Hazelaar den Ton angab und sich von deren Schlussattacke nicht ins Bockshorn jagen ließ. Zwei Stunden später zog ihr in der Zweitauflage mit Profis die Todesspur gründlich den Zahn, woran auch Hollands Goldhelm Jaap van Rijn nichts ändern konnte. Diesmal passte es für Karin Hazelaar trotz enorm aufwändiger erster 500 Meter, bis Jochen Holzschuh sie endlich gegen Huppel de Pup an der Spitze hatte. Im Schlussbogen gab Karin genau rechtzeitig Fersengeld, denn der Berliner Bel Massive packte gewaltig an und zog nur um Haupteslänge den Kürzeren.
Runde eins des Derby-Pokal der Amateure schnappte sich die bewährte Berlin-Combo Russel und Sebastian Gläser, die sich den Weg bis in den Schlussbogen von Tempobolzer Karel G Greenwood weisen ließ und dann zuschlug. Es war allerdings höchste Zeit, das rettende Ufer zu erreichen, denn Pandroklus Eck ließ mit Sarah Kube aus hinteren Gefilden die Beine höllisch fliegen und brauste bis auf eine halbe Länge heran. Das erste Handicap de Luxe des Meetings holte sich im Kanonen-Endspurt Loverboy v Assum, mit dem Jeffrey Mieras im letzten Moment Finch Hatton TU aus allen Siegträumen riss.
Umsatz-Motor war selbstverständlich die V7+-Wette, für die die Wetter dank eines Jackpots von 9.553 Euro rund 38.000 Euro aus dem Portemonnaie holten. Im Vergleich mit dem Vorjahr gab’s fast eine Punktlandung: Knapp 1.000 Euro weniger als 2022 flossen durch tatsächliche und virtuelle Totokassen.
Umsatz bei 14 Rennen: 342.130,60 Euro (incl. 216.208,60 Euro Außenumsatz), davon 38.040,40 Euro in der V7+-Wette (Vorjahr: 343.064,10 Euro bei 14 Rennen, davon 35.005,15 Euro in der V7+-Wette)