Nachschau München-Riem, 29.08.2020
Heute gab es im weitgehend „Corona-reduzierten“ bundesdeutschen Galopprennsport-Kalender 2020 die vierte Veranstaltung in München-Riem. Diese war komplett auf den Basissport ausgerichtet, aber dennoch alles andere als uninteressant. Dass sich der heutige Samstag keineswegs nur zu einem ausschließlichen Kräftemessen bayerischer Ställe entwickelte, unterstreicht dies noch einmal nachdrücklich. Die zahlreichen Gäste – u.a. aus dem Badischen, dem Rheinland oder den Neuen Bundesländern – machten das sportliche Drehbuch mit neun Leistungsprüfungen überdies recht farbig, was die erneut limitierte Zuschauerschar für das von Anbeginn regnerische Wetter zumindest ein klein wenig entschädigen konnte.
o ging auch die Auftaktprüfung an einen Gast, nämlich den aus dem Iffezheimer Stall von Trainer Gerald Geisler angereisten Wallach Macavity, der im Preis vom Pferdezentrum Aschheim früh das Geschehen diktierte und zugleich den Spieß umkehrte gegenüber seinem jüngsten Bezwinger, dem jetzigen Höchstgewicht High Flight. Dessen Angriff auf Macavity wirkte in der Distanz nichtsdestotrotz nicht ungefährlich, sodass Championjockey Bauyrzhan Murzabayev seine Bemühungen auf Stephan Schneiders vierjährigem Globus-Sohn kaum vorzeitig einstellen konnte. Dann aber schien bei High Flight urplötzlich der Stecker herausgezogen zu sein. Die 66-Kilo-Bürde forderte schlicht ihren Tribut, und für den eigentlich schon für Rang drei fest disponierten Wynono tat sich im selben Moment eine überraschende Chance auf Platz zwei auf, die der Wallach dann nicht ungenutzt ließ.
Debütantin Kilkenny steht nach Hause
Mehr als ein nur ordentliches Debüt gelang danach der aus Dresden nach Riem gekommenen zweijährigen Kilkenny, die Stefan Richter betreut und die im Herbst mit dem Krefelder Herzog von Ratibor-Rennen noch namhaftes Ziel auf ihrer Agenda stehen hat. Nicht unerwartet übernahm der favorisierte Best of Lips, der nebenbei einzige Hengst im Preis der BBAG Jährlings-Auktion, zeitig das Heft in die Hand. Aber rund dreihundert Meter vor dem Ziel musste er es dann abgeben, und es wurde ruckzuck übernommen von der innen von Martin Seidl in die Entscheidung geworfenen Kilkenny. Mit dieser schnellen Übernahme hatte die Reliable-Man-Tochter des Märkischen Rennstalls indes längst noch nicht den rettenden Hafen erreicht, da die ebenfalls erstmals aufgebotene Sconset jetzt mächtig aufdrehte und mit jedem Galoppsprung bedrohlicher wurde. Allerdings das Blatt zu wenden, gelang ihr nicht mehr, weil Kilkenny dagegen ankämpfte und knapp mit einem Hals nach Hause stand.
Sowohl für Trainer Gerald Geisler als auch für Jockey Bauyrzhan Murzabayev stand nach dem Preis des Galoppclub Süddeutschland bereits in der ersten Programmhälfte fest, dass beide als Doppelsieger die Reise von München-Riem nach Hause antreten würden. Die beiden Pferde, die sich im Einlauf zu Protagonisten aufschwingen würden, passierten den Schlussbogen zwar noch im Mitteltreffen, ehe der spätere Sieger Kingsbury kurz nach Erreichen der Geraden umso mehr in den Fokus gelangte, sich etwas weiter dann aber schon von Chica de la Luna mächtig angegriffen sah. Bis zuletzt hielt Chica de la Luna die Partie zwar offen, aber vorbei am Freminius-Sohn des Stalles Hernstein kam die Angreiferin nicht mehr. Bis zur Distanz schien der favorisierte Best Spirit ebenfalls noch Möglichkeiten anzumelden, aber er drang letztendlich kaum weiter durch, verlor vielmehr noch das dritte Geld an die zügig endende My Madeleine.
Besser machte es Best Spirits Trainingsgefährtin Lips Eagle im Preis der FIGGE + SCHUSTER AG. Gleichwohl werden es im Schlussbogen nicht mehr allzu viele gewesen sein, die noch einen Pfifferling auf die Rechnungsfavoritin gegeben hätten. Denn hier sah es zeitweise so aus, als wäre die von Andreas Suborics trainierte Gleneagles-Tochter bereits mit ihrem Latein am Ende. Doch das, was Palmvale und später Waiting for Love an Tempo vorlegt hatten, war wahrlich nicht von Pappe, was sich rund 300 Meter vor dem Ziel zeigte, als die Konkurrenz auf Ablösung drängte und auf wenig Widerstand stieß. Allen voran war es die von Clement Lecoeuvre nun außen ins Treffen geschickte Lips Eagle des Stalles Lintec, die zunehmend sicherer die Szene kontrollierte, je weiter es wurde. Trotzdem wussten darüber hinaus die Platzierten zu gefallen, dies waren Pinic En Ville als Zweite und Domenico auf Rang drei. Beide kündigten sich unübersehbar an.
Für den ersten Riemer Sieg sorgte danach die von Werner Glanz vorbereitete Lady Vivian, die sich im AS Innenausbau-Cup unter Sarah Biessey im ersten Ausgleich III auf der Karte wieder zurückkämpfte in die engere Entscheidung, welche fast schon klar zugunsten der in bester Haltung aufziehenden All About Me auszugehen schien. Doch diese kam, als sie in Front gezogen war, nie auf zumindest auch nur einen Sicherheitsabstand weg. Vielmehr blieb Lady Vivian stets weiter dran an ihr, und die Born-to-Sea-Tochter des Stalles Daglfinger Blumenhof drehte dann die Partie sogar noch einmal zu ihren Gunsten um. Fein ins Bild brachte sich zum Ende überdies Naledi, der für das dritte Geld die ordentlich auftretende Auristella noch abfing.
Dreijährige Aspen Görl imponiert
Wie ein Pferd, das auch in Zukunft noch einiges zu verkaufen hat, beherrschte die dreijährige Stute Aspen Görl die Konkurrenz im Preis der Sport-Welt. Zugleich gab die Sea-The Moon-Tochter zu erkennen, dass weicher Boden für sie nicht unbedingt ein Nachteil sein muss. Jedenfalls besetzte die von Sybille Vogt für das Gestüt Görlsdorf und für Trainer Roland Dzubasz gerittene Dreijährige hinter dem früh nach vorne gehenden Furioso sofort eine gute Ausgangsposition, aus der heraus sie in der Geraden eine blitzschnelle Entscheidung herbeiführen konnte und sich kurzerhand mit immer deutlicher werdendem Abstand von der Gegnerschaft verabschiedete. Was sich hinter der imponierenden Gewinnerin abspielte, besaß lediglich Relevanz für die Plätze. Doch zeigte der erstmals mit Scheuklappen aufgebotene Canaletto als Zweiter, dass auch er wohl kaum noch allzu lange auf seinen ersten Sieg wird warten müssen. Dazu machte der Debütant Scenario mit einem kräftigen Schlussakkord verstärkt auf sich aufmerksam und kaperte sich noch den dritten Rang.
Einen Münchener Einlauf
sah das heutige Mini-Publikum dann im pferdewetten.de-Cup, dem zweiten Ausgleich III des Tages. Die vierbeinigen Akteure hießen Estivo und Mondaine, die von ihren Reitern zunächst etwas in Reserve gehalten wurden, während zuerst Quantum Joy die Pace machte, der jedoch früh passen musste und dann von Sky Emperor und Cash the Cheque abgelöst wurde, denen im Einlauf allerdings auch alsbald die Felle wegschwammen. An der Außenseite schien, rund vierhundert Meter vor dem Ziel, jetzt ein vermeintlich sicherer Sieger auf den Plan zu treten, und zwar in Gestalt des Schimmels Estivo, der jüngst in Köln bereits platziert gewesen war und laut Trainer John D. Hillis bei weicher Bahn stets in seinem Element wäre. Aber „sicher“ sieht anderes aus, denn die Stute Mondaine griff nur wenig weiter mit viel Vehemenz an und schien bereits in einen keinen Vorteil zu gelangen. Zwischen dem von Eduardo Pedroza immer wieder neu motivierten Mastercraftsman-Sohn von Griffo Racing und der angreifenden Stute entwickelte sich bis zum Pfosten ein ungemein spannender Endkampf, den Estivo mit einem Kopf noch zu seinen Gunsten umbog. Erst acht Längen hinter beiden ging Cash the Cheque als Dritter über die Linie.
Shuichi Terachi heißt der junge Mann, der heute in Riem so etwas wie der heimliche Star des Tages war, da der japanische Azubi von Trainer Michael Figge für seinen Lehrherrn seine ersten öffentlichen Ritte absolvierte, was nebenbei ein Echo über die reinen Turf-Medien hinaus gefunden hatte. Von den vier Chancen, nutzte er die letzte - das Engagement auf dem vierjährigen Wallach Gallardo - zum ersten Volltreffer. Der im Besitz des Trainers stehende Pomellato-Sohn hielt im Wettstar.de-Pokal Start-Ziel sämtliche Gegner stets auf Abstand. Doch die Lücke zur Stute Wynona, die nichts unversucht ließ, war am Ende auf eine nur halbe Länge zusammengeschrumpft. Dabei wirkte sie weitaus weniger gefährlich als die lange bestechend gehende Ferragosta, die jedoch, als ihr Reiter ihr den Kopf freigab, kaum in dem Maße zulegte, wie man es eigentlich hätte erwarten dürfen. Sie blieb immerhin aber noch Dritte vor Always Music und vor Mabou, die beide mit dem eigentlichen Ende nie etwas zu tun hatten.
Wo greift der Ex-Jockey und nunmehrige Amateur Kevin Woodburn an, zumal wenn der Wirtshaus zur Rennbahn-Cup das letzte Rennen ist und dazu der Boden sehr weich ist? Natürlich greift der Brite außen an, wie man es seit ewigen Zeiten von ihm kennt. Wie auch jetzt wieder, als er die 2,0:1-Chance Gipsy Music an der Peripherie des Geläufs einsetzte und dort die heiße Favoritin im 1. Lauf zum Bayerischen Amateurchampionat 2020 zu einem überlegenen Sieg führte. Gegen die von Trainer Mario Hofer vom niederrheinischen Krefeld nach Riem geschickte No-Nay-Never-Tochter im Besitz von Alexander Pereira besaß keiner der sechs Gegner auch nur den Funken einer Chance. Für die Plätze hatte am Ende die dreijährige Warda den längeren Atem vor All Access und Baker Man.
(Foto: © Galoppfoto.de)