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Sonntag 04 August 10:39 Uhr | |
Von Andreas Jacobs halte ich ziemlich wenig, von seinem Großvater Walther J. Jacobs dagegen sehr viel. Opa Jacobs war nicht nur der Gründer des Gestüts Fährhof, sondern auch ein rennsportlicher Visionär, von dem auch jüngere Rennsportler eine Menge lernen konnten. Im Jahr 1972 schrieb er einen Aufsatz mit dem Titel „Rennsport im Jahre 2000“. Ziehen wir jetzt einmal Bilanz, wo Opa Jacobs mit seinen Vorhersagen nicht 2000, sondern jetzt 2024 richtig oder falsch lag. Hier einige Auszüge aus seinem Text:
„Für diese optimistische Einstellung aber gibt es gute Gründe, die mich zu der Überzeugung gebracht haben, daß die Entwicklung des deutschen Rennsports bis zum Jahre 2000 positiv sein wird.“ Das war ziemlich gut getippt, denn die Entwicklung verlief bis Mitte der 1990er Jahre tatsächlich positiv. Zu dem Zeitpunkt (1995) war der Höchststand bei der Zahl der Galopper in den deutschen Rennställen erreicht. Ab Mitte der Neunziger ging es bergab, vor allem aus drei Gründen: a) Winfried Engelbrecht-Bresges hatte die Bookies fatalerweise zu angeblichen Partnern des Turfs gemacht; b) durch das Internet landeten deutsche Pferdewetten im Ausland; c) die neue Konkurrenz der Sportwetten.
„Dieser für die Volkswirtschaft so bedeutungsvolle und kapitalintensive Wirtschaftszweig wird vor allem in der Zukunft nicht der Liebhaberei zugezählt werden, wenn man die Entwicklung in unseren Nachbarländern England und Frankreich betrachtet. ... Vielleicht wird es in einigen Jahrzehnten neben gesunden, wirtschaftlich geführten Rennvereinen auch Gesellschaften geben, die gewinnorientiert ausgerichtet und betrieben werden.“ Das trifft teilweise zu; so haben die Rennbahnen Baden-Baden und Berlin-Hoppegarten neben ihrem gemeinnützigen Verein zusätzlich auch eine Kapitalgesellschaft für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gegründet.
„Die Entwicklung wird vom nationalen zum multinationalen Rennsport gehen.“ Volltreffer! Allein schon das System der Blacktype-Rennen unterstreicht das deutlich.
„In etwa 30 Jahren wird sich eine Konzentration auf deutsche Großbahnen ergeben haben. Die Überalterung unserer Galopprennbahnen ist mittlerweile so weit fortgeschritten, daß hier nur finanzstarke Rennvereine mittel- und langfristig Abhilfe schaffen können.“ Nee, Walther, leider völlig falsch, finanzstarke Rennvereine gibt es anno 2024 nicht mehr.
„Es ist ebenso denkbar, daß zukunftig auch der Rennsport auf bestehende und neu konzipierte Datenbanken zurückgreifen wird. Beispielsweise wird die Zeitungs- und Programmgestaltung nur noch über Datenbanken abzurufen sein. Ebenso könnte ich mir vorstellen, daß´der Service für Rennplatzbesucher dahingehend erweitert wird, daß die Formen der Pferde gegen ein Entgelt ebenso von der vorher gespeicherten Datenbank über Telefon bzw. Computer-Fernsehen abgefragt werden können.“ Waaahnsinn, das hat er im Jahre 1972 vorhergesagt....
„Eine weitere kommerzielle Ausnutzung der Großbahnen ist denkbar und sicherlich auch erforderlich. Hier denke ich insbesondere an erweiterte Restauration für die Stimulanz und Motivation des Publikums. Hotels, Schwimmbäder, Eisbahnen und Autokinos würden weiteren finanziellen Rückhalt bieten.“ Genau meine Meinung! Leider sind die Rennbahnen ohne das nötige Kapital auf diesen Zug nicht aufgesprungen, sonst sähe es heute besser aus.
„Wir haben die Möglichkeit, den Kampf gegen Isolation und Vereinsamung aufzunehmen. Die Mehrzahl der Menschen wird nicht an Überarbeitung zerbrechen, sondern durch die Langeweile zermürbt werden.“ Gut beobachtet, nur leider streben die Menschen zu Facebook und ins Hoofworld-Forum anstatt auf die Rennbahnen...
Sein Schlusswort im Aufsatz: „Jedoch sollten wir uns in unserem Glauben und Streben für ein geeintes Europa nicht beirren lassen. Dieses Europa ist die große und einmalige Chance für den deutschen Rennsport schon in naher Zukunft und ganz bestimmt im Jahre 2000.“ Die vielen Erfolge deutscher Vollblüter im Ausland halten den deutschen Turf finanziell über Wasser.
Fazit: Jacobs hatte einige bemerkenswerte Treffer bei seinen Vorhersagen. Dennoch ist der deutsche Galopprennsport jetzt weit unten, ganz anders als vom Super-Optimist Jacobs erwartet. Der „Game Changer“ Internet und seine Folgen waren etwas, das Jacobs im Jahre 1972 einfach noch nicht vorhersehen konnte. |